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12.12.2015

AHGZ - Ignoranz oder Missmanagement

AHGZ - Gastbeitrag von Markus F. Weidner

AHGZ - Ignoranz oder Missmanagement

Nach vier Stunden Fahrt stehe an der Rezeption, es ist 22:30 Uhr. Ich freue mich, am Ziel zu sein – endlich. Meine Stimmung bei der Anreise ist weder euphorisch, noch bin ich schlecht gelaunt, sondern einfach müde. Ich sage meinen Namen, es folgt die übliche Frage nach der Anreise, schlecht im Timing und weder aufrichtig noch natürlich. Man macht das eben so, landauf, landab.

Das Hotel liegt an der Autobahn, ich bin das erste Mal hier, kenne es nicht und hoffe, dass es für zwei Nächte geht. Mein Auftraggeber hatte gebucht, scheinbar war in Köln gerade Messe und daher musste man ausweichen.

Ich nehme den Schlüssel, gefühlte 250 Gramm, fahre nach oben. Der Aufzug, Baujahr 1983, die Türen quietschen. Im Gang höre ich das Rauschen der Autobahn, das Fenster ist offen. Der Zimmerschlüssel dreht sich schwer, ich trete ein, die Zimmertemperatur ist auf Sparflamme, es riecht nach kaltem Rauch. Im Zimmer das gleiche Geräusch, wie auf dem Gang, die Autobahn. Ich denke: „Vermutlich ist das Fenster offen“, stimmt, im Badezimmer. Ich schließe es, nur das Geräusch, es bleibt nicht draußen. Die Verglasung ist dünn und das Rauschen und der Geruch würden mich die ganze Nacht begleiten. Bettdecke und Kissen sehen schon von weitem danach aus, als wenn 100.000 Gäste darin geschlafen haben.

Zurück an der Rezeption sage ich freundlich und bestimmt, dass ich gern ein ruhiges Nichtraucher-Zimmer hätte. „Nein, das ist nicht möglich, wir sind ausgebucht“, sagt der junge Mann, verunsichert. Sein Gesichtsausdruck deutet mit Bedauern an: „Ich weiß wovon Sie sprechen, das haben wir jeden Tag“.

Fest steht nun: Wir haben einen Konflikt! Aus dem Lateinischen abgeleitet bedeutet „confligere“ so viel wie „zusammentreffen, kämpfen“. Ja, es geht um einen Kampf, darum, dass Grundanforderungen, die ein Gast an den Betreiber eines Hotels stellt, nicht erfüllt werden. Wer auch immer im Management für dieses Zimmer verantwortlich ist, er wird hier nicht selbst schlafen wollen, da bin ich sicher. Und der junge Mann an der Rezeption, er kann am wenigsten dafür. Das, was ein Gast für 120 Euro inklusive Frühstück erwartet, wird er nicht erfüllen können. Was ihm bleibt, ist freundliche Inkompetenz. Da hilft auch kein Seminar zur „erfolgreichen Reklamations- und Konfliktbehandlung“.

Ich warte. Sein Blick in den Computer, Stirnrunzeln, Kopfschütteln. Mein insistierendes Schweigen macht klar, dass ich mich nicht beeindrucken lasse. Ich will einfach nicht in diesem Zimmer schlafen. Nach einem inneren Konflikt, den der Rezeptionist mit sich ausgefochten hat, fasst er sich ein Herz und nimmt einen Zimmerwechsel vor. Der Konflikt ist für den Augenblick gelöst. Da er sein Herz auf der Zunge trägt, kann er es sich nicht verkneifen, den nächsten Konflikt mit einem Seufzen vorherzusagen: „Dann wird wohl der andere Herr auf der Autobahnseite schlafen müssen.“

Mir ist bewusst, dass gerade in heutigen Zeiten Menschen froh wären, wenn sie ein solches Bett gehabt hätten. Nur, da gilt es zu trennen und darauf hinzuweisen, dass hier ein Hotelbetreiber seinen Gästen etwas verspricht und den Mitarbeitern etwas zumutet, was nicht zeitgemäß, nicht fair, ja sogar unlauter ist. Hier werden Konflikte vorprogrammiert, die den Menschen jeden Tag aufs Neue den Nerv rauben. Von Außen betrachtet sieht es so aus, als könne man das ja machen, weil die Autobahn jede Nacht Menschen anspült, die keine Wahl haben. Sie müssen nehmen, was angeboten wird.

Das ist das Gegenteil von Gastfreundschaft, das ist Ignoranz und Missmanagement und führt zu ständigen Konflikten. Tag für Tag. So lange, bis keine Mitarbeiter mehr bereit sind, das zu ertragen – selbst wenn es noch genügend Gäste geben sollte.

Nehmen Hotelbetreiber Konflikte im Tagesgeschäft billigend in Kauf – und die Mitarbeiter müssen es ausbaden?

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