30. Etappe: Der längste Tag
Nach einer wunderbaren Hotelparty und einer geruhsamen Nacht ohne Schnarchgeräusche von Zimmergenossen, beginnt die zweitletzte Etappe bis Venedig. Noch 80 Kilometer bis zum Ziel. Ich starte gegen 08:30 Uhr und die Länge des Weges möchte ich davon abhängig machen, wo ich einen schönen Schlafplatz an der Piave finde. Die Perspektive ist ein flacher Weg, der über weite Strecken entlang des Flusses Piave gehen sollte und am Ende deutlich länger wurde als erwartet – zum längsten Tag.
Die ersten Kilometer sind nicht so schön, weil der Weg hauptsächlich entlang der Straße führt, bis endlich die Piave erreicht ist. Nur auch die Wegführung entlang des Flusses ist zunächst mühsam, weil die Kieswerker nicht wirklich auf Wanderer Rücksicht nehmen. Die Temperaturen steigen schnell auf deutlich über 35 Grad, was den Weg nicht einfacher macht. Der Tag wird sich am Ende zum längsten Tag der Tour entpuppen, weil ich die blödeste Entscheidung überhaupt getroffen habe, die man für diesen Tag hätte treffen können.
Längste Wegstrecke meiner Wanderung
Die Wanderkilometer reihen sich einer an den anderen, die Hitze setzt mir zu und der flache Weg stellt sich als deutlich anstrengender heraus als ich es gedacht hätte. Mental gibt es wenig Ablenkung und die permanente und gleiche Belastung der Muskulatur bei diesen Temperaturen wird mit der Zeit ein Problem. In den Bergen gibt es einen regelmäßigen Lastwechsel, so dass immer wieder andere Muskelgruppen angesprochen werden. Nach 2 Stunden bergauf freut man sich auf die Passagen bergab und umgekehrt. Belastete Muskulatur kann sich entspannen und auch der Tritt ist für die Füße wesentlich abwechslungsreicher und bringt Entlastung. In der Ebene gibt es nur einen Bewegungsablauf und das ermüdet.
Ich merke auch, dass der Schuh enger wird, weil die Füße langsam dicker werden. Insgesamt sollen es heute ganze 45 Kilometer sein, die mich meine Füße tragen. Es gilt, möglichst weit zu kommen, um morgen wie geplant das Ziel Venedig auch wirklich zu erreichen.
Eine schlechte Entscheidung
So geht der Tag dahin und erfährt nur in einer keinen Ortschaft zur Mittagspause etwas Abwechslung. Nachmittags gönne ich mir noch eine ausgiebige Badepause im Fluss, um den Körper und vor allem die Füße abzukühlen. Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang finde ich nach gut 10 Stunden in den Schuhen ein kleines Wäldchen an der Piave, das ich zum Nachtquartier erkläre. Erst nehme ich noch ein Bad und töte die eine oder andere Schnake. Bis ich dann endlich das Nachtlager eingerichtet habe und meine Feldbrotzeit zu mir nehme, erkenne ich, welchen fatalen Fehler ich gerade mache.
Die Schnaken nehmen überhand und werden zum echten Problem. Der Schutz im Schlafsack ist aufgrund der Wärme ebenso unerträglich, so dass ich mit dem letzten Licht entscheide, diese Nacht nicht im Freien zu verbringen. Wo auch immer ich schlafen werde – keine Ahnung, ich werde es sehen.
So wandere ich weiter und kann die Insekten hinter mir lassen. Der nächste Ort ist gute 5 Kilometer weiter und hurra, hurra, eine Pizzeria und das Hotel Italia sind kurz vor 23 Uhr nach 45 Tageskilometern meine Rettung. Am Ende finde ich eine gute Nachtruhe und mein Körper wird die nächsten Tage etwa 300 plus Mückenstiche verarbeiten müssen. Die Müdigkeit ist Gott sei Dank so groß, dass diese Nacht nicht durch das Jucken der Stiche behindert wird. Und so endet auch dieser längste Tag und die Hauptmotivation ist das Ziel VENEDIG für den nächsten Tag. Um der Hitze zu entgehen, ist der Start für 06:00 Uhr geplant.
Euer Markus F. Weidner